Ach was war das schön. Und damit könnte dieser Bericht auch schon beendet sein. Noch ein paar Bilder, und ein perfektes Brevet ist dokumentiert. Aber ein bisschen ausführlicher möchte ich es schon machen.
Da die Berliner Randonneure auch zu den Frühstartern gehören, war es mal wieder Zeit, den Wecker auf eine Uhrzeit einzustellen, die als Stundenzahl eine Vier enthält. Puh. Aber wie immer vor einem Brevet habe ich keinen Wecker benötigt. Denn die routinemäßige Aufregung hat für einen kurzen Schlaf gesorgt. Es waren zirka fünf Stunden. Dementsprechend müde bin ich in die Küche geschlichen und habe mich dort kulinarisch auf die Tagesaufgabe vorbereitet. Neben der üblichen Portion Porridge zum Frühstück wurde auch Proviant in Form von Käse-Stullen und selbst gemachten, herzhaften Reis-Küchlein bereitgelegt.
Die Fahrt durch das morgendliche Berlin war frisch.
Dieses Brevet war das erste mit einem reinen Rennrad (Alu-Rahmen mit Carbon-Gabel Kombination). Das 2014er Modell Aspin von der Hamburger Marke Stevens. Aufgrund meiner groben Planung war es ausreichend, Akkubeleuchtung für 3h dabeizuhaben. Denn die Planung sah vor, spätestens zwei Stunden nach Sonnenuntergang (22:45 Uhr) im Ziel zu sein und somit noch ausreichend Beleuchtungskapazität für den Heimweg zu haben. Ich denke, jeder erfahrene Randonneur hat jetzt Sorgenfalten auf dem Gesicht, da man ja nie wissen kann, wie sich so ein Brevet entwickelt. Und die Ankunftszeit auf zwei Stunden vorauszusagen kann bei zunehmender Strecke sehr riskant sein. Naja, Ende gut alles gut. Ich nehme jetzt schon mal die Spannung raus – es verlief alles wie geplant, vielleicht sogar ein bisschen besser. Auf jeden Fall wird dieses reine Rennrad für die zukünftigen, längeren Strecken Brevet-taugliche Beleuchtung in Form eines Nabendynamos und der damit verbundenen Front- und Rückbeleuchtung bekommen. Jetzt aber zurück zum Geschehen des Tages.
Neunzig Starter in drei Gruppen in Abständen von zehn Minuten startend. So hieß die bewährte Startformel auch diesmal. Und jede Gruppe wurde von erfahrenen Randonneuren südwärts aus die Stadt geführt. In der zweiten Startgruppe war das Gros der von mir bekannten Berliner Randonneure enthalten, sodass durch etliche Gespräche und Scherze der erste Abschnitt Richtung Trebbin wie im Fluge verging.
Die Strecke war fast zu 100% identisch mit der letztjährigen Streckenführung. Aber die geringe Abweichung zum letzten Jahr war aber enorm wichtig für Diejenigen, die sich im letzten Jahr durch den märkischen Sand gequält haben. Falls es einer amüsanten Erinnerung bedarf kann man das HIER nachlesen.
Auf halbem Weg Richtung Dahme sorgten eine Geher-Einlage, mit anschließendem Betonradweg und einem danach folgenden langen Anstieg für die Sprengung der größeren Gruppe. Ich habe mich an Wolfgang gehalten, und bin mit Ihm ein paar Kilometer geradelt. Der positiv Verrückte verpackt seinen dreiwöchigen beruflichen Aufenthalt in Südafrika innerhalb zwei Brevets. Dieses eine 300er, nach dessen Ende er zwölf Stunden später zum Abflug in Tegel sein muss und das 400er, welches er direkt nach Ankunft in Angriff nehmen will. Dann mal schönes trainieren in den Fitnessstudios von Johannesburg und viele tolle Erlebnisse dort.
Nach einer Tempoverschärfung meinerseits, habe ich Wolfgang zurückgelassen, was aber unter Randonneuren nicht verwerflich ist. Schließlich fährt jeder in einer für sich angenehmen Geschwindigkeit. Dieses Mal lagen unsere Beiden Wohlfühlzonen halt ein paar KMH auseinander. Mit diesem erhöhten Tempo konnte ich kurzer Zeit später Dietmar am Horizont entdecken und habe es mir natürlich nicht nehmen lassen, den schnellen Dietmar mit „Zeitfahrhelm“ einzuholen. Zusammen sind wir dann zum zweiten Kontrollpunkt nach Dahme geradelt und haben uns den wohlverdienten Stempel traditionsmäßig bei den super netten Floristen von „Florever“ geholt.
Noch schnell die Getränkeflaschen aufgefüllt und dann alleine weiter auf dem Fläming-Skate Richtung Westen. Und wieder habe ich am Horizont ein bekanntes Duo aus Gefährt und Randonneur entdeckt – Liegeradler Mathias. Aber diesmal brauche ich ein wenig mehr Kraft um den schnellen, windschnittigen Kollegen einzuholen. Aber die Beine rotierten unablässig und sogar mit ordentlich Kraft, sodass wir sogar zusammen noch den enteilten Dietmar (wie auch immer er das gemacht hat) rechtzeitig vor der Pasta-Party in Oehna einholen konnten. Wir erreichten diesen dritten Kontrollpunkt (KM 130) mit ungefähr sieben Mitstreitern und im Hinterhof der Gastwirtschaft herrschte ein Buntes Treiben an Radtrikots, deren Träger sich allesamt an erfrischenden Getränken labten. Auch frisch zubereitetes Essen wurde im Minuten Takt aus der Küche geliefert.
Nachdem die Teller und Gläser geleert waren, machten wir uns zu viert auf den wunderschönen Weg nach Wörlitz. Vorbei an blühenden Rapslandschaften, erntereifen kilometerlangen Spargelfeldern, blütentragenden Obstwiesen. Ach Randonneursherz – was kann man mehr wollen. Ja richtig. Rückenwind. Und direkt von hinten. Bester Schiebewind entlang der Deichkrone auf dem Abschnitt Wittenberg-Wörlitz. Ein Genuss ohne Gleichen und stetig lustige Kommentare aus der Gruppe. Situationskomik der feinsten Sorte. Beim Schreiben dieser Zeilen habe ich schon wieder ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Danke an Dietmar, Mathias, Peter und Peter!
Hinter Wörlitz stand die Elbpassage bei Coswig per Fähre auf dem Streckenprotokoll. In Coswig habe ich ein letztes Mal die Trinkflaschen aufgefüllt und habe mich auf die Verfolgung von Dietmar, Peter und Mathias gemacht. Dank einer Panne von Peter war die Verfolgung trotz Steigungsprozenten schnell beendet. Mathias und Dietmar haben sich dann entschlossen, einen weniger ruppigen Weg zum fünften Kontrollpunkt nach Dobbrikow (KM 268) zu nehmen. Peter und ich haben dies nicht mitbekommen. Wir haben dann zusammen mit dem herannahenden Ralf einen kleinen belgischen Kreisel initiiert und sogar die Geschwindigkeit auf den Kopfsteinpflasterpassagen (bis zu zwei Kilometer Länge) hochgehalten und ich mich ein wenig wie die Radprofis bei Paris-Roubaix gefühlt. Für eine kurze Zeit schmerzende Handgelenke inklusive.
In Dobbrikow gab es ein letztes kurze Verschnaufpause von 20 Minuten bevor die Dämmerung des Tages einsetzte und ich zusammen mit Mathias auf den letzten 30 Kilometern noch mal alles aus den Beinen rausholte, was die Muskelkraft hergab. Es lag bestimmt an den Reis-Küchlein.
Dieses Brevet war eine Werbung für Langstreckenfahrten und die hohe Anzahl an Novizen bestätigt den allgemeinen Trend „Rauf aufs Rad – Rein in die Natur“. Und dank solcher toll organisierten Veranstaltungen ist das auch kein Wunder. Danke Klaus, Danka Ingo, Danke Ralf!
Die perfekte Reneration gab es am Folgetag bei der Familie in der Heimat im Ludwigsluster Schlosspark – auch unvergessliche Momente mit meiner Nichte.
Für mich geht es in vier Wochen weiter. 400km – Startort Emsland – Startzeit 21 Uhr – Also mal wieder ein Erlebnis in der Nacht und wahrscheinlich viele neue Gesichter. In diesem Sinne – KEEP RIDING!!!